Hauptamt stärkt Ehrenamt
Anlaufstellen schaffen
Engagementförderung ist kein einmaliges Projekt, sondern eine wichtige dauerhafte Aufgabe der Kreisverwaltung zur Unterstützung des sozialen Zusammenhalts. Ausgestattet mit den nötigen Ressourcen Personal, Zeit und Budget, unterstützt durch Verwaltung und Politik gelingt es, freiwilliges Engagement sowie die Ehrenamtsstrukturen vor Ort bedarfsorientiert zu unterstützen und zu entlasten. Dafür ist eine dauerhafte hauptamtliche Stelle die zentrale Voraussetzung und meist auch die größte Herausforderung.
Wie baut man eine hauptamtliche Ehrenamtsförderung auf?
Eine hauptamtliche Ehrenamtsförderung, die nur für ein paar Jahre besteht, ist nicht nachhaltig und kann so sogar von Anfang an als Zeit- und Geldverschwendung erscheinen.
Eine Projektförderung ist nur dann sinnvoll, wenn sie als Anschub genutzt wird, eine systematische Engagementförderung auf den Weg zu bringen. Der Aufbau einer hauptamtlichen Ehrenamtsförderung braucht Zeit, schließlich müssen Strukturen und Vernetzungen erst etabliert werden.
Grundlegend: der Kreistagsbeschluss
Engagementförderung ist eine freiwillige kommunale Selbstverwaltungsaufgabe im Sinne der Kreis- und Gemeindeordnungen der Länder. Um eine hauptamtliche Stelle auf Kreisebene zur Unterstützung und Stärkung des Ehrenamtes zu etablieren, bedarf es eines Kreistagsbeschlusses. Erst eine Debatte im Kreistag macht deutlich, wie die politischen Vertreterinnen und Vertreter zum Thema hauptamtliche Unterstützung des Ehrenamts stehen und zeigt, wie viel politischer Rückhalt gegeben ist. Eine gute Vorbereitung und auch Kontaktaufnahmen im Vorfeld sind wichtig, um Akteure zu überzeugen. Eine breite Zustimmung gibt der neuen Stelle die notwendige Legitimation.
Erfolgskritisch: die Verwaltung
Auch der Rückhalt in der Verwaltung spielt eine maßgebliche Rolle. Nur wenn die Behördenleitung und die entsprechenden Fachabteilungen hinter dem Konzept stehen, kann die Unterstützung funktionieren. Daher sollte von Anfang an auch die landkreisinterne Abstimmung mit gedacht und -geplant werden.
↓ Ehrenamtsförderung eine Aufgabe der Landkreise – rechtliche Einordnung (PDF)
Wie organisiert man eine solche Ehrenamtsstelle?
Passend zur eigenen Struktur muss jede Verwaltung klären, welche Aufgaben die hauptamtliche Stelle zur Engagementförderung übernehmen und wo sie eingegliedert werden soll. Schnittstellen zu anderen Fachbereichen gibt es z.B. bei der Fördermittelberatung oder der Weiterbildung von Ehrenamtlichen. Wichtig ist die Vor- und Nachteile einer eventuellen Um- bzw. Neustrukturierung solide abzuwägen. Gleichwohl müssen sich andere Fachbereiche mitgenommen und wahrgenommen fühlen.
Ansiedlung
Wo siedelt man sie an, eine solche hauptamtliche Stelle zur Engagementförderung? Möglichkeiten gibt es viele:
● direkt im Landratsbüro
Durchgreifende Entscheidungen und schnelles Handeln sind im Büro der Landrätin oder des Landrats einfacher – und Ehrenamt bekommt als „Chefsache“ ein besonderes Gewicht. Zugang zur „Bürgermeister-Runde“ zu haben, kann ein Türöffner für die Arbeit im gesamten Landkreis sein.
● in der Stabstelle
Auch innerhalb einer Stabsstelle des Landratsbüros, des Geschäfts- oder der Fachbereiche (oder Ämter) ist die Stelle zur Unterstützung des Ehrenamtes gut aufgehoben. Schnelle Entscheidungswege und der Querschnittsüberblick sind hier von Vorteil.
● in bestimmten Fachbereichen
In vielen Fachbereichen sind oft schon Kooperationen mit Ehrenamtlichen vorhanden. Gute Vernetzung und enge Zusammenarbeit helfen, Doppelstrukturen zu vermeiden. Andererseits kann eine Ansiedlung in einem Fachbereich auch zu thematischer Verengung führen.
● in freier Trägerschaft
Es kann von Vorteil sein, die Engagementförderung in Kooperation mit einem freien Träger durchzuführen. Diese arbeiten häufig selbst mit freiwilligen Unterstützern und kennen die besonderen Erfordernisse.
Der Kreis Rendsburg-Eckernförde hat sich für solch eine Lösung entschieden: Die Durchführung des Modellprojekts wurde an zwei Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege übertragen, mit denen der Landkreis schon langjährige gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit gemacht hatte.
● in Kooperation
Die vielfältigen Aufgaben der Engagementförderung können auch arbeitsteilig in Kooperation wahrgenommen werden, z.B. die Koordination, Information und Vernetzung auf Landkreisebene, Qualifizierungsmaßnahmen über die Volkshochschule und die Vermittlung von Ehrenamtlichen über eine Freiwilligenagentur. Gerade in Flächenkreisen bietet sich eine Vernetzung bei der Etablierung einer Engagementförderung an.
Wie erstellt man ein Konzept?
Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit und bedarfsgerechtes Handeln sind Garanten für Akzeptanz. Deshalb sollte von Beginn an klar kommuniziert werden, dass die Strukturen dauerhaft angelegt sind, sich vor allem am Bedarf der Engagierten orientieren und eine sinnvolle Ergänzung zu bestehenden Angeboten bieten.
Analyse: Status quo und Entwicklungspotential
Dazu hilft eine Analyse der Situation vor Ort. Die benannten Stärken, Schwächen skizzieren den Status quo, die Chancen und Risiken zeigen das Entwicklungspotential. Gleichzeitig kann die Analyse die Basis für die künftige Vernetzung zwischen relevanten Akteuren sein. Sie sorgt für eine transparente Herangehensweise und schafft zudem einen Überblick über die engagementfördernde Landschaft vor Ort. Vier Fragen sind dabei besonders wichtig:
- Welche engagementfördernden Einrichtungen, Institutionen und Stellen gibt es?
- Welche Zielgruppen werden durch diese Stellen angesprochen?
- Welche Leistungen bieten diese Stellen an?
- Welche engagementfördernde Infrastruktur ist darüber hinaus vorhanden?
Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme und die Analyse der vorhandenen Strukturen geben Input für die Formulierung von Herausforderungen, Zielen und Visionen. Die sollten kurz und möglichst konkret gefasst werden und unter den gegebenen Rahmenbedingungen auch realistisch erreichbar sein.
Bedarfe: Was wird gebraucht?
Bedarfe können nur identifiziert werden, wenn die Engagierten konsequent eingebunden sind, z.B. durch direkte Beteiligung in Form von (Online-) Befragungen, Interviews oder Bürgerwerkstätten. Das schafft Vertrauen, Transparenz und Akzeptanz.
Konzept: Welche Maßnahmen leiten sich daraus ab?
Situationsanalyse, Bedarfsermittlung und die Formulierung von Visionen und Zielen ergeben die Ansatzpunkte, um ein nachhaltiges und passgenaues Konzept zur hauptamtlichen Engagementförderung zu entwickeln sowie Aufgaben und Maßnahmen zu definieren. Allerdings folgen viele Prozesse keinen starren Vorgaben und Plänen, sondern sind stets in der (Weiter-) Entwicklung.
Wieviel Personal und Budget ist nötig?
Ein Büro zur Förderung des Ehrenamts sollte unabhängig von der Landkreisgröße mit mindestens zwei Mitarbeitern besetzt werden. Dadurch ist eine lokale Erreichbarkeit und Abdeckung von Engpasszeiten sichergestellt. Zwei Mitarbeiter ermöglichen außerdem eine bessere Arbeitsteilung und Spezialisierung. Auch zeitliche Flexibilität ist wichtig, da ehrenamtliche Arbeit außerhalb der Bürozeiten stattfindet.
↓ Kernkompetenzen von Ehrenamtskoordinatoren (PDF)
Der finanzielle Rahmen sollte neben den Personalkosten auch Mittel für Veranstaltungen, Qualifizierung, Öffentlichkeitsarbeit, Dienstreisen und Ausstattung enthalten
Wie steigt man in die Umsetzung ein?
Ist neues Personal eingestellt, sollte es sich in den ersten Wochen intensiv mit dem Konzept auseinandersetzen und eventuell Justierungen vornehmen. Bei der Arbeitsplanung helfen Werkzeuge aus dem Projektmanagement. Strategie-, Zeit-, Kosten- und Meilensteinpläne erleichtern die Erstellung einer Arbeitseinteilung und bieten eine gute Übersicht. Teamarbeit, Meilenstein- und Strategieplanung können darüber hinaus erheblich durch das Nutzen von digitalen Tools erleichtert werden.
Absprachen sind das A und O
Ein guter und kontinuierlicher Austausch mit allen Beteiligten ist für die Ehrenamtsunterstützung unabdingbar. Einbezogen werden sollten:
Eigene Verwaltung
In den meisten Kommunalverwaltungen gibt es verschiedene Abteilungen, die direkt oder indirekt in die Engagementförderung involviert sind. Um Doppelstrukturen und Konflikte zu vermeiden und stattdessen Kräfte zu bündeln und Synergien zu nutzen, muss man diese Strukturen und Verantwortlichkeiten kennen und mit den maßgeblichen Verwaltungsstellen einen regelmäßigen Austausch pflegen. Wichtig ist eine klare Abgrenzung der Aufgaben voneinander.
Externe fördernde Stellen
Gegebene Strukturen und Institutionen außerhalb des Landkreises müssen identifiziert und passende Netzwerkpartner gefunden werden. Eine Kontaktaufnahme sollte dabei stets mit einem konkreten Ziel erfolgen: Wo gibt es Ansätze einer Zusammenarbeit? Wie stellt man sich die Zusammenarbeit bestenfalls vor?
Multiplikatoren einbinden
Einzelpersonen, die jahrelange Erfahrung mit bürgerschaftlichem Engagement mitbringen und in ihrem Bereich von hoher Bekanntheit sind, können für den Erfahrungsaustausch und die passgenaue Angebotsentwicklung sowie die Etablierung der Stelle von großer Bedeutung sein. Engagementförderung erfordert Zusammenarbeit und keine Einzelkämpfer.
Einbindung der Engagierten
Damit die Angebote der Stelle zu dem Bedarf der Engagierten passen, muss dieser nicht nur ermittelt, sondern das Ergebnis regelmäßig aktualisiert werden. Digitale Tools erleichtern auch hier die Arbeit. Darüber hinaus ist eine gute Öffentlichkeitsarbeit essenziell für den Erfolg der Stelle.
➜ Beispiele aus der Praxis
Sonderweg externe Träger – Kreis Rendsburg-Eckernförde
Der Kreis Rendsburg-Eckernförde hat sich entschieden, die Durchführung des Modellprojekts an zwei Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege zu übertragen. Langjährige, gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Brücke Rendsburg-Eckernförde e.V. und dem Diakonischen Werk des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde gGmbH in der Ehrenamtsberatung gaben dazu den Anlass. Mit jedem Projektpartner wurde ein Mittelweiterleitungsvertrag geschlossen. Dieser beinhaltet alle Pflichten, die sich aus dem Zuwendungsbescheid ergeben, sowie den jeweils weitergeleiteten Förderbetrag pro Projektjahr. Eine jährliche Berichtspflicht gegenüber dem Sozialausschuss des Kreistages sowie die Einrichtung eines Steuerungsgremiums, das sich halbjährlich trifft und mit Vertreterinnen der drei beteiligten Organisationen besetzt ist, wurden vereinbart. Monatliche Projekttreffen und ein Qualitätsmanagement ergänzen den organisatorischen Rahmen.
Beratung von Vereinen durch eine regionale Koordinationsstelle im Harz – Landkreis Göttingen
Eine weitere Alternative für die direkte Beratung von Vereinen findet sich im Landkreis Göttingen: Neben der Servicestelle Bürgerschaftliches Engagement mit Sitz in Göttingen wird in der Stadt Osterode am Harz in Kooperation mit der Gemeinde Bad Grund (Harz) eine regionale Koordinationsstelle erprobt, die als Anlaufstelle für Vereine und Verbände vor Ort agiert. Vorteil ist, dass die Wege der Engagierten zur Beratung deutlich kürzer sind und der ortskundige Mitarbeiter der Koordinationsstelle mit den regionalen Gegebenheiten vertraut ist. Aufgaben sind insbesondere Beratungen zur Gründung, Fusion oder auch Auflösung von Vereinen, Kriseninterventionen und die Durchführung von Workshops zur Organisationsentwicklung. Die Koordinationsstelle und die Servicestelle arbeiten Hand in Hand.
Aufsuchende Beratung durch das Hauptamt – Landkreis Vorpommern-Greifswald
Im Landkreis Vorpommern-Greifswald wird neben den Beratungsgesprächen in den Räumlichkeiten des Verwaltungsstandortes vor allem die Möglichkeit eines direkten Austausches vor Ort als äußerst positiv wahrgenommen. Das Angebot einer aufsuchenden Beratung durch die Projektmitarbeiter wird von den ehrenamtlich Engagierten gern in Anspruch genommen. Durch das Entfallen der Fahrtzeiten und den damit reduzierten Mehraufwand bleibt wertvolle Zeit für das Ausüben der ehrenamtlichen Tätigkeit. Für eine Erreichbarkeit des Büros erfordert dieses Konzept eine Mehrpersonenbesetzung, da je nach Größe des Landkreises längere Fahrtzeiten für die Termine eingeplant werden müssen.
Vereinsstärkung – Landkreis Regensburg
Die Freiwilligenagentur des Landkreises Regensburg hat einen ihrer Arbeitsschwerpunkte auf die Unterstützung und Stärkung von Vereinen gelegt. Ihre 2015 gestartete Vereinsschule gilt als die Fortbildungsreihe für Ehrenamtliche in der Region. Ihr Projekt „digital verein(t)“ versucht, Vereine auf dem Weg zur Digitalisierung ihrer Arbeit zu begleiten. Das im Rahmen von „Hauptamt stärkt Ehrenamt“ umgesetzte Projekt „Das fliegende Lehrerzimmer – Vereinscoaching im ländlichen Raum“ zielt darauf ab, Vereine vor Ort in den Gemeinden individuell und passgenau beim Stemmen ihrer Herausforderungen zu unterstützen und sie auf ihrem Weg in die Zukunft zu begleiten.
Vereinsschule | Freiwilligenagentur Landkreis Regensburg (↗ freiwilligenagentur-regensburger-land.de)
digital verein(t) | Freiwilligenagentur Landkreis Regensburg (↗ freiwilligenagentur-regensburger-land.de)
Vereins-Coaching im Landkreis Regensburg | Freiwilligenagentur Landkreis Regensburg (↗ freiwilligenagentur-regensburger-land.de)
„Ehrenamt des Monats" – Erzgebirgskreis
Mit Start der Kampagne „Ehrenamt des Monats“ wurde im November 2021 eine neue Plattform geschaffen, um das ehrenamtliche Engagement im Erzgebirgskreis stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken. Bürgerinnen und Bürger können Einzelpersonen, Vereine und Initiativen vorschlagen, die sich überwiegend im Erzgebirgskreis ehrenamtlich engagieren. Durch eine Zusammenarbeit mit regionalen Medien erhält das Engagement maximale Aufmerksamkeit und zeigt, wie facettenreich sich Freiwillige einsetzen. Neben der erzgebirgischen Holzfigur „HelD“ (Helfen und Danken) erhalten die Preisträger eine Urkunde sowie eine Einladung zum großen Regionalpreis des Erzgebirgskreises, dem ERZgeBÜRGER.
„Ehrenamt? Läuft!" – Landkreis Waldeck- Frankenberg
Mitmachen, sich einsetzen, etwas bewegen – freiwilliges Engagement spielt in Waldeck-Frankenberg eine wichtige Rolle. Damit dies so bleibt, bietet der Landkreis unter dem Slogan „Ehrenamt? Läuft!“ eine breite Palette an Unterstützungsangeboten, zu denen neben hauptamtlichen Projektmitarbeiterinnen auch das Engagementportal als digitale Anlaufstelle zählt:
Auf der nutzerfreundlichen Webseite können sich Interessierte über aktuelle Themen und Veranstaltungen informieren, Materialien abrufen und vieles andere mehr. Um das Mitein-ander zwischen Hauptamt und Ehrenamt zu unterstreichen, wurde das Engagementportal mit Bildern von Engagierten aus Waldeck-Frankenberg gestaltet, was einen kleinen Einblick in die große Vielfalt der Engagementkultur vor Ort gewährt. Unverzichtbar ist zudem das einprägsame Logo, welches sich neben der Webseite bereits als Markenzeichen für „Ehrenamt? Läuft!“ etabliert hat.
Sowohl die Webseite als auch das Logo haben eine Medienagentur in Anlehnung an das Corporate Design des Landkreises entwickelt. Der Prozess erfolgte in enger Abstimmung mit den zuständigen Fachdiensten der Kreisverwaltung.
Beispiele für Informationsplattformen