Mit Computern Zukunft bauen
Mit ihren Programmierwerkstätten bringt die Initiative neuland21 Bildungsangebote ins ländliche Brandenburg, die es sonst nur in großen Städten gibt. In den “CoderDojos” kann man erleben, wie ein Mikrocontroller für mehr Chancengleichheit sorgt.
Es gibt Momente, in denen sich das Leben auf dem Land großstädtisch anfühlt. Dafür braucht es nur ein paar Laptops, eine stabile Internetverbindung — und Josefine Theden-Schow. Sie eröffnet Kindern und Jugendlichen andere Welten im ländlichen Raum. Digitale Welten. Seit Oktober 2020 organisiert die 30-Jährige sogenannte CoderDojos in Brandenburg. Das sind Programmierwerkstätten für Heranwachsende ab sieben Jahren, die es inzwischen weltweit gibt. In kurzer Zeit entwickeln Schülerinnen und Schüler dabei eigene Computerspiele oder bauen erste Internetseiten. Das Ziel des Projekts: Spaß und Lernen vereinen.
Bei einem Workshop sitzen dann bis zu 15 Heranwachsende an Tischen zusammen. Ihr Blick geht geradeaus auf den Bildschirm eines Laptops. Zwei Stunden klicken sie sich durch Lernclips, die Grundlagen des Programmierens spielerisch vermitteln. „Erfahrene Kinder helfen denen, die noch nicht so geübt am Computer sind. So lösen sie Probleme gemeinsam“, berichtet Theden-Schow. Zum Beispiel, wenn es darum geht, sich mit Scratch vertraut zu machen. Die Programmiersprache wurde eigens für Kinder und Jugendliche entwickelt. Vorgefertigte Figuren, Handlungen und Bühnenbilder können dabei für eigene Spielidee genutzt werden. Auf dem nächsten Programmierlevel werden dann mittels Befehle individuelle Kostüme, Sprachausgaben und vieles mehr programmiert.
„Wir möchten unterhaltsam vermitteln, wie Computer funktionieren“, erklärt Theden-Schow. „Dass PCs codebasiert arbeiten und beispielsweise Chatverläufe in sozialen Medien nicht aus dem Nichts entstehen, sondern aus Zahlenkombinationen bestehen. Viele verblüfft das.“ Täglich erlebe sie in ihrer Arbeit, dass zwar fast alle Kinder begeistert Handy- oder Computerspiele nutzen, aber gleichzeitig viele nicht wissen, was ein Internetbrowser ist. „Dieses technische Grundverständnis vermitteln wir. Ich finde das wichtig, weil diese Geräte unser Leben immens durchdringen.“
Manchmal fehle Eltern die Zeit, Wissen weiterzugeben. Teilweise hätten Familien auch schlicht keinen Computer, kein Laptop oder Tablet zu Hause. „Oft sind Bildungsangebote zudem viele Kilometer entfernt in der nächsten Großstadt zu finden“, erzählt die studierte Medien- und Kommunikationsmanagerin. Die Lücken in der Versorgung will ihr Projekt schließen. Die CoderDojos sind unter dem Dach der Initiative neuland21 angesiedelt. Der Verein setzt sich dafür ein, die Lebensqualität im ländlichen Raum zu verbessern. Weiterer Abwanderung will er entgegenwirken. Ein Weg ist, digitale Bildungsangebote zu stärken.
Fördergelder ermöglichen gleichberechtigte Teilhabe
An diesem Vorhaben arbeitet Theden-Schow zielstrebig. In kurzer Zeit ist es ihr gelungen, das Projekt zu skalieren. Mit dem Förderprogramm Bildungsturbo der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) konnte sie neue Standorte im Land erschließen. Die CoderDojos finden nun neben Bad Belzig, Wiesenburg und Brandenburg an der Havel auch in Niemegk, Michendorf und bald Luckenwalde statt. Theden-Schow arbeitet mit Familienzentren, Bibliotheken oder Jugendtreffs zusammen, die ihre Räume für die Werkstätten öffnen.
Dass die Workshops Corona-bedingt mehrere Monate online stattfinden mussten, führte in der Vergangenheit zu Problemen: „Wenn Eltern im Homeoffice arbeiten, bleiben für Kinder und Jugendliche meist keine Geräte übrig, um an Werkstätten teilzunehmen“, erklärt Theden-Schow. „Mit den Fördergeldern der DSEE konnten wir neue Laptops anschaffen. Sie verleihen wir nun bei Bedarf.“ Die gebürtige Hamburgerin ist dankbar für diese Unterstützung. Nur so werde ein Angebot für alle möglich. Auch für jene, die zwar Interesse, aber nicht die Mittel haben.
Die Fördermittel der DSEE haben zudem den Ankauf spezieller Hardware erlaubt. Mehrere “Calliope minis” sind seit Kurzem Teil des Teams. Theden-Schow hält einen der sternenförmigen Mikrocontroller in die Luft. Kombiniert sie den winzigen Computer mit einem LED-Ring und einem CO2-Sensor, können Schulklassen messen, wann sie ihre Klassenzimmer in Corona-Zeiten lüften müssen: „Der Sensor misst den CO2-Gehalt in der Luft, und der LED-Ring wechselt bei bestimmten Schwellwerten die Farbe. So müssen nicht willkürlich nach 20 Minuten die Fenster in Unterrichtsräumen aufgerissen werden.“
Bildungsunterschieden engagiert entgegentreten
Für die Zukunft sucht Theden-Schow Mentorinnen und Mentoren aus der Region, die die CoderDojos durchführen. Nur so könne das Angebot verstetigt werden. Derzeit unterstützen fünf Informatikerinnen und Informatiker das Projekt. Perspektivisch sollen Eltern, Menschen im Ruhestand oder technikaffine Ehrenamtliche die Werkstätten tragen. Das Know-how lasse sich spielerisch erlernen. Theden-Schow spricht aus Erfahrung. Sie selbst hat sich die Grundlagen des Programmierens in einer neunwöchigen Schulung beigebracht. Ihren Antrieb erklärt sie so: „In meinem letzten Job habe ich mir Produkte für Websites entwickelt und diese mit der Technikabteilung umgesetzt. Aber ich habe das nicht so umfassend verstanden, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich hatte Lust, selbst mehr zu gestalten.“ Heute ermutigt sie andere dazu.
Theden-Schow erfülle es, ihr Wissen an Kinder und Jugendliche weiterzugeben. „Sie blühen auf, wenn sie ihren Eltern zeigen, was sie am Computer erreicht haben.“ In solchen Momenten werde ihr klar, wie wichtig diese Arbeit sei: „Wir schaffen die gleichen Voraussetzungen, die Kinder und Jugendliche sonst nur in großen Städten vorfinden. Wir wollen den Jüngsten zeigen, dass im ländlichen Raum neue Angebote entstehen – dass diese Region attraktiv und nicht abgehängt ist.“
Über die Organisation
Die Initiative neuland21 setzt sich dafür ein, die Lebensqualität im ländlichen Raum zu verbessern und weiterer Abwanderung entgegenzuwirken. Ein Weg ist, digitale Bildungsangebote zu stärken. Dabei setzen die Teammitglieder auf die Chancen der Digitalisierung, um Themen wie Mobilität, Nahversorgung, Arbeit und gesellschaftliches Leben in ländlichen Gemeinden neu zu gestalten.
Kontakt
Neuland 21 e.V.
Klein Glien 25
14806 Bad Belzig
Telefon: +49 (0)176 78770983
E-Mail: hallo@neuland21.de